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Die Geschichte von Werner Rosenbaum

Die Geschichte von Werner Rosenbaum

Werner Rosenbaum wird am 30. August 1904 in Bad Gandersheim geboren. Sein Vater Max Rosenbaum und seine Mutter Helene Rosenbaum, geboren als Helene Simon in Seesen,
haben 1903 geheiratet. Am 4. Mai 1903 meldet Max Rosenbaum in Bad Gandersheim einen »Handel mit Manufakturwaren« an. Er betreibt zwei Geschäfte »mit fremden Erzeugnissen« in der Moritzstraße. Die Familie Rosenbaum ist Teil der jüdischen Gemeinde im benachbarten Seesen.

Werners jüngere Brüder Paul, geboren am 6. April 1906 und Alfred, geboren am 5. November 1910, besuchen das Gymnasium. Über die schulische Ausbildung von Werner ist nichts bekannt. Er arbeitet später im Geschäft seiner Eltern.

Paul besucht von 1916 bis 1922 das Gandersheimer Gymnasium. Nach dem Abitur beginnt er in mit einem Medizinstudium. 
Max und Helene Rosenbaum erwerben 1922 Haus und Grundstück Neue Straße Nr. 1. Max lässt das teilweise vermietete Gebäude auf der Seite der Moritzstraße durch einen Anbau erweitern. Hier richtet er sein Geschäft für Manufakturwaren, Nähmaschinen, Fahrräder und Wollwaren ein. 1928 feiert die »Firma Max Rosenbaum« ihr 25-jähriges Bestehen. Am 3. Februar 1931 überträgt Max sein Gewerbe auf seine Ehefrau Helene. Ein Jahr später wird das Wohn- und Geschäftshaus auf den Sohn Werner übertragen.
 

Das Gandersheimer Kreisblatt veröffentlicht den Boykott-Aufruf der NSDAP Kreisleitung und der Ortsgruppe Gandersheim für den 1. April 1933 gegen jüdische Geschäfte. Die als »Maßnahme der 
Regierung zum Schutz von Volk und Nation« propagierte Aktion wird auch in Gandersheim von der SA durchgeführt. Laut Berichterstattung des Kreisblatts hält die Familie Rosenbaum ihr Geschäft trotz Aufforderung und vor dem Eingang aufgestellten SA-Posten geöffnet. 
 

Paul Rosenbaum

Sein Bruder Paul Rosenbaum schließt 1930 sein Medizinstudium ab und besteht »an den Düsseldorfer Krankenhausanstalten sein Doktor=Examen«. Ab dem 25. Mai 1934 lebt er in Mönchengladbach. 1935 heiratet Paul die aus Mönchengladbach stammende Jüdin Gertrud Weyl, Paul und Gertrud Rosenbaum verlassen 1937 Deutschland. Der Einwohnermeldekartei zufolge emigrieren sie am 15. Juli 1937 nach England. Paul tritt vermutlich der Britischen Armee als Militärarzt bei. Für den Fall einer Gefangenname Pauls durch die Nationalsozialisten ändern Paul und Gertrud ihren Namen in »Ross«. Nach Zeitzeugenberichten hält sich Paul nach 1945 als britischer Soldat in Bad Gandersheim auf.

Alfred Rosenbaum

Sein Bruder Alfred Rosenbaum verlässt Ostern 1932 das Gandersheimer Gymnasium ohne Abitur. Laut seiner Einwohnermeldekartei wandert er am 25. Januar 1939 auf die Philippinen aus – ob seine Flucht aus Deutschland tatsächlich gelingt, ist nicht bekannt.
 

Von Bad Gandersheim nach Hannover

Am 13. Juli 1933 – rund drei Monate nach dem Boykott – meldet Helene Rosenbaum ihr Gewerbe ab. Das Geschäft wird aufgegeben, doch das Haus bleibt zunächst im Besitz von Werner Rosenbaum. Helene und Max scheinen in den folgenden Jahren von den Mieteinnahmen des Hauses zu leben.1937 wird das Haus vermutlich im Rahmen der »Arisierung« weit unter Wert an den Kreisgemeindeverband Gandersheim verkauft und dann von der NSDAP-Kreisleitung genutzt. Spätestens der erzwungene Hausverkauf treibt Max und Helene zum Umzug in eine größere Stadt. Sie ziehen am 25. November 1937 nach Hannover. Dort verstirbt Max am 15. Februar 1938 im Alter von 61 Jahren.
 

Emigrationspläne zerschlagen sich

Werner Rosenbaum ist seit dem 24. Juli 1933 aus Gandersheim abgemeldet mit dem Ziel Hannover Ahlem. Er beginnt eine Ausbildung zum Gärtner in der »Israelitischen Gartenbauschule Ahlem«. Die Berufsschule bietet seit ihrer Gründung 1893 jüdischen Lehrlingen Ausbildungen als Gärtner und in handwerklichen sowie landwirtschaftlichen Berufen an. Schon in der Zeit der Weimarer Republik und besonders ab 1933 wandern zahlreiche ehemalige Schüler nach Palästina aus. Auch Werner Rosenbaum scheint bereits ab 1933 seine Auswanderung nach Palästina vorzubereiten. Gemeinsam mit seiner Verlobten Lotte Lenneberg aus Mönchengladbach, plant er spätestens 1936 die Emigration nach Italien. Die Einwilligung der Auswanderungsbehörde liegt vor, eine finanzielle Unterstützung wird ihm Ende 1935 von seinem Bruder Paul zugesichert. Doch der Plan zerschlägt sich im Sommer 1937. Lotte Lenneberg entscheidet sich aus nicht bekannten Gründen gegen die gemeinsame 
Flucht. Obwohl Paul Rosenbaum seine finanzielle Unterstützung für eine Ausreise nach Palästina beim Landesfinanzamt zusichert, kann Werner Rosenbaum Deutschland nicht verlassen. Als Begründung wird angegeben, die ursprünglichen Voraussetzungen der gemeinsamen Emigration seien nicht mehr gegeben.

Deportation in das Ghetto von Riga

Anfang September 1941 werden die in Hannover lebenden Juden gezwungen, in eins der 16 »Judenhäuser« zu ziehen. Mehr als 1.200 Menschen müssen in wenigen Stunden ihre Wohnungen 
verlassen. Auch das Haus Ohestraße 8, in dem Werner Rosenbaum gemeinsam mit seiner Mutter Helene seit dem 2. April 1940 lebt, wird zum »Judenhaus« deklariert. Die aus Bleckede stammende Jüdin Lieselotte Rosen, Werners Verlobte, und ihr am 1. März 1938 in Hannover geborener Sohn Dieter Rosen werden am 4. September ebenfalls zum Umzug in die Ohestraße 8 gezwungen. Die beengten Wohnbedingungen lassen keinerlei Privatsphäre zu. Am 17. November 1941 heiratet Werner Rosenbaum die am 25. November 1912 in Bleckede geborene Lieselotte Rosen. Vermutlich erhalten sie unmittelbar vor ihrer Heirat die Benachrichtigung über ihre Deportation. Ein Ziel wird nicht genannt.

Am 15. Dezember 1941 erfolgt die erste Deportation von Hannover nach Riga. Vier Tage zuvor müssen sich auch Werner, Lieselotte und der 3-jährige Dieter in der Sammelstelle auf dem Gelände der 
»Israelitischen Gartenbauschule Ahlem« einfinden. 1.001 Personen werden von der Gestapo Hannover registriert. Am Morgen des 15. Dezember werden sie per Lastwagen zum Bahnhof Hannover-Linden gefahren. Den Deportierten ist das Ziel nicht bekannt. Nach drei Tagen erreicht der ungeheizte Personenzug den Güterbahnhof Riga-Skirotava. Es ist nicht sicher, ob Werner, Lieselotte und Dieter das Ghetto erreicht haben. Häufig werden schon am Ankunftsbahnhof Skirotava Deportierte ausgesucht und im Wald erschossen. Die im Ghetto Lebenden müssen Zwangsarbeit leisten. Immer wieder kommt es zu »Selektionen«, bei denen viele Menschen getötet werden. Unter den namentlich bekannten 69 Überlebenden der 1001 Deportierten vom 15. Dezember ist kein Mitglied der Familie Rosenbaum. Werner Rosenbaum wird am 8. Mai 1945 in Hannover für tot erklärt.
 

Seine Mutter Helene Rosenbaum lebt noch bis zum März 1942 im »Judenhaus« Ohestraße 8. Am 26. März muss sie sich mit 491 anderen jüdischen Bürger*innen in der Sammelstelle »Israelitischen 
Gartenbauschule Ahlem« zur Registrierung einfinden. Vom Bahnhof Hannover-Linden werden sie am 31. März in das Warschauer Ghetto deportiert. Die Bedingungen im Warschauer Ghetto sind für die Internierten äußerst grausam. Viele Menschen sterben an Hunger oder durch Epidemien. Es ist kein Überlebender aus dem Transport aus Hannover bekannt. Helene Rosenbaum wird am 8. Mai 1945 in Hannover für tot erklärt.

Mit freundlicher Unterstützung der Stolperstein-Initiative Bad Gandersheim.