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Bürgermeisterin Bettina Weist und Regierungspräsident Andreas Bothe bei der Unterschrift, eingerahmt u.a. durch Winfried Nachtwei und die Schülerin des Heisenberg Gymnasiums sowie durch die Initiatoren des Beitritts aus der kommunalen Politik (© Anna Langhof (Stadt Gladbeck))
„Lebendige Erinnerungskultur fortführen“
Gladbeck ist 79. Mitgliedsstadt des Deutschen Riga-Komitees
Gladbeck. Nach einem Besuch in Gladbeck überreichte der Regierungspräsident und Bezirksvorsitzende des Volksbundes, Andreas Bothe, in der letzten Woche eine Urkunde für den offiziellen Beitritt der Stadt zum Deutschen Riga-Komitee. Die Stadt ist bereits das 79. Mitglied des internationalen Städtebündnisses. Im Kreis Recklinghausen gehören nun fast alle Städte dem Bündnis an. Im Folgenden lesen Sie die offizielle Pressemeldung der Stadt zur sehr gelungenen Beitrittsveranstaltung, die u.a. durch den Beitrag einer jungen Schülerin des Heisenberg-Gymnasiums sowie durch den Beitrag von Winfried Nachtwei zu den historischen Hintergründen und zur Entwicklung des Deutschen Riga-Komitees bereichert wurde.
"Schließlich wurde es dann feierlich: Im Zuge einer kleinen Feierstunde überreichte Regierungspräsident Andreas Bothe in seiner Funktion als Bezirksvorsitzender des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge der Stadt Gladbeck die Beitrittsurkunde zum Riga-Komitee. ,Jüdinnen und Juden müssen in unserem Land sichtbar und sicher leben können. Da kann es keine zwei Meinungen geben. Gerade in dieser Zeit, in der antisemitische Straftaten hierzulande wieder zunehmen, ist es umso wichtiger, sich klar zu positionieren. Es gibt kein ja aber. Nie wieder ist jetzt und hier‘, stellte Bothe bei der Überreichung der Beitrittsurkunde unmissverständlich klar. Die Beitrittsbekundung zum Riga-Komitee hatte der Rat der Stadt bereits im April 2022 beschlossen - mit einem einstimmigen Votum. Der damaligen Entscheidung lag ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zu Grunde, dem die Gladbecker Ratsmitglieder letztlich gefolgt sind. ‚Dafür bin ich unserer Lokalpolitik sehr dankbar, dass wir geschlossen dieses so wichtige Zeichen setzen‘, betonte Bürgermeisterin Bettina Weist und fügte an: ‚Wir wollen mit dem Beitritt zum Riga-Komitee die Arbeit für eine lebendige Erinnerungskultur weiterfortführen und zum Frieden beitragen - hier und auf der ganzen Welt, indem wir solidarisch, offen und menschlich bleiben!‘
Gegründet hatte sich das Städtebündnis am 23. Mai 2000. Aufgabe des Riga-Komitees ist es, an die über 25.000 jüdischen Bürgerinnen und Bürger zu erinnern, die in den Jahren 1941 und 1942 aus vielen deutschen Städten nach Riga deportiert und in ihrer überwiegenden Zahl im Wald von Bikernieki ermordet wurden."
Im Juli wird sich eine junge Gruppe aus Gladbeck mit dem Denk Dran e.V. direkt auf den Weg nach Riga machen, um sich auf die Spuren der ehemaligen Nachbarn jüdischen Glaubens zu begeben.
Fotos: Anna Langhof (Stadt Gladbeck)
Text: Stadt Gladbeck
Ein Land voller Massengräber und kaum jemand, der noch einen Kaddisch sagen kann: Auf den Spuren der Shoah in Lettland

Im September 2024 unternahmen Mitarbeitende der Gedenkstätten sowie Mitglieder des Gedenkstättenvereins und MultiplikatorInnen aus dem Osnabrücker Raum und Berlin vom 26. August bis 1. September 2024 eine Reise nach Litauen und Lettland zu Orten der Shoah im Baltikum. Die Reise erfolgte im Rahmen der Ausstellung "Der Tod ist ständig unter uns. Die Deportationen nach Riga und der Holocaust im deutsch besetzten Lettland", die vom 7. April bis 1. September 2024 in der Gedenkstätte Augustaschacht zu sehen war. Die Autorin war eingeladen worden, an dieser Reise teilzunehmen. Sie stellt uns ihren Bericht für diese Veröffentlichung kostenfrei zur Verfügung.
Am 13. Dezember 1941 wurden 35 Osnabrückerinnen und Osnabrücker gezwungen, in einen Zug zu steigen, der sie in mehrtägiger Fahrt nach Riga in Lettland brachte. Sie selber kannten das Ziel nicht. Ihren Besitz mussten sie zurücklassen. Fünfzig Kilo an Gepäck waren alles, was sie mitnehmen durften, und auch wurde ihnen bei der Ankunft weggenommen, als sie mit Eisenstangen aus dem Zug in die eisige Kälte von minus 30 bis 40 Grad geprügelt wurden. Kleine Kinder und alle, die den weiten Weg in das Ghetto nicht schafften, wurden gleich ermordet. „Keiner von uns hat geglaubt, dass so viel Sadismus möglich war“ – dieser Satz stammt von Ewald Aul, einem der fünf Osnabrücker Überlebenden dieser Deportation, später langjähriger Vorsitzender der Jüdischen Nachkriegsgemeinde in Osnabrück.
Diese Reise war nicht leicht, manche Eindrücke nur schwer zu verkraften Es war eine Reise auf den Spuren von Massenmorden, die auch emotional belastete, und dennoch eine Reise mit vielen wertvollen Begegnungen mit Menschen, die sich dafür engagieren, die Menschen, die diesen Morden zum Opfer fielen, der Vergessenheit zu entreißen, wo das noch möglich ist, und ihnen dadurch ihre Würde zurückzugeben. Unter diesen Ermordeten, für die niemand das Kaddisch, das jüdische Totengebet, sprach, sind 30 Osnabrückerinnen und Osnabrücker. Drei davon, die Geschwister Edith, Carl und Ruth-Hanna Stern, waren noch kleine Kinder.
Am 31. Juli 1941 wurde der Leiter des Reichssicherheitshauptamts, Reinhard Heydrich, von Reichswirtschaftsminister Hermann Göring mit der Vorbereitung der Endlösung der Judenfrage beauftragt, der systematischen Ermordung aller europäischen Juden. Im Oktober 1941 ordnete Hitler die Deportation der jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus dem Reichsgebiet an. Sie wurden in Transporten von je 1.000 Personen in die Ghettos Lodz in Polen, und Minsk in Belarus, Kaunas und Vilnius in Litauen und das lettische Riga gebracht.
In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wurde der Holocaust über Jahrzehnte verdrängt und tabuisiert. Neue Verbrechen durch das stalinistische Regime überlagerten die Erinnerung an die deutsche Besatzung und die Verfolgung von jüdischen Menschen und anderen Bevölkerungsgruppen. Für die Sowjetunion gab es keine jüdischen Opfer und damit auch keinen Holocaust. Die Ermordeten waren alle Sowjetbürgerinnen und -bürger. Es ging um Heldengedenken, alle Toten galten gleichermaßen als „Opfer des Faschismus“. Die Erinnerung an die massive Beteiligung der einheimischen Bevölkerung an den Morden wird den Litauern und Letten auch heute kaum zugemutet.