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Alexander Bergmann gestorben
Er war Träger des „Drei-Sterne-Ordens“ des lettischen Staatspräsidenten.
Alexander (Sascha) Bergmann, geboren am 30. Mai 1925, verstarb am 12. Januar 2016 gegen 11.00 Uhr in einem Rigaer Krankenhaus.
Alexander Bergmann überlebte in jungen Jahren den Nazi-Terror im Ghetto von Riga und in den Konzentrationslagern Kaiserwald (Riga), Stutthof bei Danzig und Buchenwald, Außenlager Magdeburg. Seine Eltern und sein jüngerer Bruder sowie zahllose Verwandte wurden von den Nazis 1941 und 1944 im Wald von Rumbula bei Riga ermordet.
Seit 1993 war Alexander Bergmann Vorsitzender des Vereins der ehemaligen jüdischen Ghetto- und KZ-Häftlinge Lettlands (LEGU). Er war der energische und unermüdliche Sprecher der jahrzehntelang vergessenen und gedemütigten Holocaust-Überlebenden in Lettland, Litauen und Estland. Mit seinem untrüglichen Gerechtigkeitssinn und seiner menschlichen Überzeugungskraft gewann er Unterstützer- und Freundeskreise u.a. in Berlin, Bremen, Freiburg, Göttingen, Hamburg, Leipzig und Münster. Er suchte und fand politische Verbündete für eine würdige „Entschädigung“ der Holocaust-Überlebenden im Baltikum, die Ende 1997 durchgesetzt wurde.
Tausende Menschen aus Deutschland erlebten Alexander Bergmann als eindringlichen Zeitzeugen und authentischen Botschafter wider das Vergessen und die Unmenschlichkeit. Nicht zuletzt die Besuchergruppen aus Städten des Riga-Komitees werden die Begegnung mit diesem klugen, großartigen und humorvollen Menschen nicht vergessen.
Alexander Bergmann hat sich um die Gemeinschaft der ehemaligen jüdischen Ghetto- und KZ-Häftlinge Lettlands, um die lettische Demokratie sowie um die Erinnerungskultur in Deutschland und um ein zusammenwachsendes, friedliches Europa in hohem Maße verdient gemacht. Er war Träger des „Drei-Sterne-Ordens“ des lettischen Staatspräsidenten.
Ein Land voller Massengräber und kaum jemand, der noch einen Kaddisch sagen kann: Auf den Spuren der Shoah in Lettland

Im September 2024 unternahmen Mitarbeitende der Gedenkstätten sowie Mitglieder des Gedenkstättenvereins und MultiplikatorInnen aus dem Osnabrücker Raum und Berlin vom 26. August bis 1. September 2024 eine Reise nach Litauen und Lettland zu Orten der Shoah im Baltikum. Die Reise erfolgte im Rahmen der Ausstellung "Der Tod ist ständig unter uns. Die Deportationen nach Riga und der Holocaust im deutsch besetzten Lettland", die vom 7. April bis 1. September 2024 in der Gedenkstätte Augustaschacht zu sehen war. Die Autorin war eingeladen worden, an dieser Reise teilzunehmen. Sie stellt uns ihren Bericht für diese Veröffentlichung kostenfrei zur Verfügung.
Am 13. Dezember 1941 wurden 35 Osnabrückerinnen und Osnabrücker gezwungen, in einen Zug zu steigen, der sie in mehrtägiger Fahrt nach Riga in Lettland brachte. Sie selber kannten das Ziel nicht. Ihren Besitz mussten sie zurücklassen. Fünfzig Kilo an Gepäck waren alles, was sie mitnehmen durften, und auch wurde ihnen bei der Ankunft weggenommen, als sie mit Eisenstangen aus dem Zug in die eisige Kälte von minus 30 bis 40 Grad geprügelt wurden. Kleine Kinder und alle, die den weiten Weg in das Ghetto nicht schafften, wurden gleich ermordet. „Keiner von uns hat geglaubt, dass so viel Sadismus möglich war“ – dieser Satz stammt von Ewald Aul, einem der fünf Osnabrücker Überlebenden dieser Deportation, später langjähriger Vorsitzender der Jüdischen Nachkriegsgemeinde in Osnabrück.
Diese Reise war nicht leicht, manche Eindrücke nur schwer zu verkraften Es war eine Reise auf den Spuren von Massenmorden, die auch emotional belastete, und dennoch eine Reise mit vielen wertvollen Begegnungen mit Menschen, die sich dafür engagieren, die Menschen, die diesen Morden zum Opfer fielen, der Vergessenheit zu entreißen, wo das noch möglich ist, und ihnen dadurch ihre Würde zurückzugeben. Unter diesen Ermordeten, für die niemand das Kaddisch, das jüdische Totengebet, sprach, sind 30 Osnabrückerinnen und Osnabrücker. Drei davon, die Geschwister Edith, Carl und Ruth-Hanna Stern, waren noch kleine Kinder.
Am 31. Juli 1941 wurde der Leiter des Reichssicherheitshauptamts, Reinhard Heydrich, von Reichswirtschaftsminister Hermann Göring mit der Vorbereitung der Endlösung der Judenfrage beauftragt, der systematischen Ermordung aller europäischen Juden. Im Oktober 1941 ordnete Hitler die Deportation der jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus dem Reichsgebiet an. Sie wurden in Transporten von je 1.000 Personen in die Ghettos Lodz in Polen, und Minsk in Belarus, Kaunas und Vilnius in Litauen und das lettische Riga gebracht.
In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wurde der Holocaust über Jahrzehnte verdrängt und tabuisiert. Neue Verbrechen durch das stalinistische Regime überlagerten die Erinnerung an die deutsche Besatzung und die Verfolgung von jüdischen Menschen und anderen Bevölkerungsgruppen. Für die Sowjetunion gab es keine jüdischen Opfer und damit auch keinen Holocaust. Die Ermordeten waren alle Sowjetbürgerinnen und -bürger. Es ging um Heldengedenken, alle Toten galten gleichermaßen als „Opfer des Faschismus“. Die Erinnerung an die massive Beteiligung der einheimischen Bevölkerung an den Morden wird den Litauern und Letten auch heute kaum zugemutet.