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Das kurze Leben der Ilse de Beer

Das kurze Leben der Ilse de Beer

Am 16. Juni 1929 wird Ilse de Beer als zweites Kind von Margarete (geb. Reinhaus, 27.11.1896 in Rheine) und Daniel de Beer (* 04.05.1896 in Emden) in Rheine geboren und ist damit wenige Tage jünger als Anne Frank. Ihre ersten Jahre verbringt Ilse de Beer zusammen mit ihrer älteren Schwester Marianne (* 06.07.1925 in Rheine) im Haus des Großvaters. Die jüdische Familie wohnt, unweit der Ems, in der Kolpingstraße. Ihr Vater ist Händler und Kaufmann. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 muss er seinen Beruf aufgeben. Die de Beers verlieren ihr Wohnhaus und müssen umziehen. Sie ziehen mit Julie Reinhaus (* 21. April 1860 in Rheine), einer Tante der Mutter, zusammen und wohnen nun in der Mühlenstr. 29.

Während der Reichspogromnacht im November 1938 wird die Familie in ihrer Wohnung von betrunkenen SA-Männern attackiert. Die 78 Jahre alte Tante flüchtet ins Dachgeschoss. Von dort stürzt sie in den Garten und ist sofort tot. Die Ursache des Sturzes ist bis heute ungeklärt. Wahrscheinlich wurde Julie Reinhaus von der SA ermordet.

Ab Januar 1939 muss Ilse in ihrem Ausweis den Namenszusatz „Sara“ tragen und bekommt darin ein großes, rotes „J“ für Jüdin. Von Juli 1939 an darf Ilse nicht mehr die gleiche Schule wie ihre ehemaligen Mitschülerinnen besuchen. Ab September 1941 muss sie, wie alle anderen Jüdinnen und Juden, auf ihrer Kleidung sichtbar den Judenstern tragen.

Ende 1941 erhält die Familie die Aufforderung zur „Umsiedlung“. Eine Nachbarin erinnert sich später: „Die de Beers glaubten nicht, dass sie je zurückkommen würden. Frau de Beer hat meiner Mutter gesagt, sie sollte sich aus ihrer Wohnung nehmen, was sie wollte. Und die hatten sehr feine Sachen: Silberbesteck und Leinendecken mit eingewebten Bildern. Aber meine Mutter wollte sich an dem Elend dieser Leute nicht bereichern und hat nichts mitgenommen. Den beiden Mädchen hatte meine Mutter noch Wollmäntel genäht und Medizin mitgegeben.“

Zusammen mit ihrem Vater Daniel, ihrer Mutter Margarete und ihrer Schwester Marianne wird Ilse am 10. Dezember 1941 von Rheine aus über Münster nach Riga deportiert.

Die beiden Schwestern sind die Jüngsten, die aus Rheine ins Ghetto Riga deportiert werden. Mit nur zwölf Jahren wird Ilse de Beer – vermutlich zusammen mit ihrer Mutter – direkt nach der Ankunft in Riga ermordet. Marianne überlebt Riga und kommt am 9. August 1944 im Konzentrationslager Stutthof an und wird hier umgebracht. Ihr Todestag ist der 3. Dezember 1944.

Der Vater Daniel de Beer überlebt auch Stutthoff und kommt von dort am 16. August 1944 in Buchenwald an. Er stirbt am 16. April 1945 wenige Tage nach der Befreiung des KL Buchenwald.

Keiner aus der Familie überlebte den Holocaust. Heute erinnern Stolpersteine vor dem Haus in der Kolpingstraße 2-4 in Rheine an die Familie de Beer.