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Lager Gut Jungfernhof

Lager Gut Jungfernhof

Das ehemalige Gut Jungfernhof (lettisch: Jumpravmuiža) liegt 1,5 km südlich des Güterbahnhofs Šķirotava und circa 10 km südöstlich vom Rigaer Stadtzentrum. Vom ehemaligen Lager Jungfernhof sind heute lediglich einige Steine und verfallene Gebäudeteilen zu sehen. Lediglich eine Informationstafel gibt einen kurzen Abriss der Geschichte des Ortes.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Jungfernhof ein Staatsgut mit einem Herrenhaus und Stallungen. Die Sowjets übernahmen es nach der Besetzung Lettlands und wollten dort einen Militärflughafen bauen, der aber über die Anlage einer Rollbahn nicht hinausgekommen ist.

Nachdem die deutsche Wehrmacht Lettland okkupiert hatte, übernahm die (deutsche) Sicherheitspolizei das Gelände und wollte es zu einem SS-Gutshof entwickeln. Die Bedingungen dafür waren schlecht, die meisten der Gebäude befanden sich in äußerst miserablem Zustand.

Die Deportation der im Deutschen Reich lebenden Juden nach Riga bestimmte dann bis auf Weiteres die Entwicklung auf dem Gutshof. Da die Unterbringungsmöglichkeiten für die „Reichsjuden“ im Rigaer Ghetto noch nicht zur Verfügung standen, wurden die Insassen von insgesamt vier Zügen aus Stuttgart, Hamburg, Nürnberg und Wien auf dem Gut untergebracht, obwohl es dort keinerlei adäquate Unterbringungsmöglichkeiten gab.

Während die Insassen das Lager ausbauen mussten, wurden auch Arbeitskräfte von ihnen abgezogen und zum Aufbau des Lagers Salaspils eingesetzt. Aufgrund der schlechten Unterbringung und Ernährung starben viele Lagerinsassen, Schätzungen zufolge alleine im Winter 1941/42 800 bis 900 von ihnen. Kranke wurden mangels Medikamenten und Versorgung erschossen.

Das Gut war kein Lager im organisatorischen Sinne und war nicht durchgehend eingezäunt. Die Bewachung erfolgte vielmehr durch Posten der lettischen Polizei, die jeden erschossen, von dem sie vermuteten, er wolle fliehen.

Im Januar 1942 wurden 200 Frauen ins Rigaer Ghetto überstellt, und 1.700 bis 1.800 Häftlinge wurden im Rahmen der „Dünamünde-Aktion“ in Bikernieki erschossen.

Nachdem das Lager nur noch ca. 450 Insassen zählte, wurde mit dem Aufbau eines Gutshofes begonnen, der bald eine gute Ernte abwarf. Dadurch verbesserte sich die Ernährungssituation. Allerdings wurden weitere Arbeitskräfte vom Gut Jungfernhof abgezogen, so dass es dort im August 1943 nur noch rund 80 Häftlinge gab. Wohin diese 1944 bei der Auflösung des Lagers verbracht wurden, ist unklar.

Leiter des Lagers Gut Jungfernhof war der SS-Unteroffizier Rudolf Seck, der aus einer landwirtschaftlichen Familie stammte. Im Lager war Seck der unumschränkte Herrscher, der sich durch große Grausamkeit den Häftlingen gegenüber auszeichnete. Seck wurde nach dem Krieg nach mehreren Verfahren vom Landgericht Hamburg 1951 zu lebenslanger Haft verurteilt, kam allerdings 1964, zehn Jahre vor seinem Tod, frei.